Lernen ist nicht gleich Lernen. Welche Arten des Lernens sollten Sie kennen?
Imitation und das Lernen am Modell
Eine sehr ursprüngliche Art des Lernens erfolgt auf Grund von Nachahmung. Dabei ist Nachahmung in der Evolution eine sehr späte Errungenschaft, aber Menschen können wahrgenommene Bewegungen schon in sehr frühem Alter nachmachen. Infolge dessen kann auch gelernt werden durch „learning by doing“. Dabei können durchaus verschiedene Lernformen eine Rolle spielen. Sowohl in Partnerschaften wie in der Kindererziehung ist oft eine unbewusste Nachahmung von Verhaltensweisen zu beobachten. Daher sind familiär oder in Gruppen auftretende Gewohnheiten Beispiele für Lernen durch Imitation. In der Regel gilt das auch etwa für die Scheu vor Spinnen oder das Trinken in Gesellschaft. Spiegelung spielt auch beim Sprachlernen, bei der Ausformung von Artikulation (Dialekt) und bei der Verwendung von Redewendungen eine Rolle.
Signallernen oder sogenanntes klassisches Lernen
Die Weiterleitung von Signalen an die Motorik auf Grund bestimmter Wahrnehmungen kann sich durch Lernen verändern. Dabei unterscheidet man üblicherweise zwei Möglichkeiten: Entweder wird zu einer bestehenden sensomotorischen Verbindung ein neuer, auslösender Reiz hinzugelernt oder eine neue Verhaltensweise. Im erstgenannten Fall spricht man vom Signallernen. Hierbei wird eine Reaktion nicht nur durch einen bisher unbedingt auslösenden Reiz in Gang gesetzt, sondern auch durch einen neu bedingenden (konditionierten) Reiz. Beispiele dafür sind verschiedene Formen des emotionalen Lernens: zum Beispiel außergewöhnliche Angstreaktionen auf Grund geringfügiger Anlässe oder abweisende Reaktionen gegenüber Menschen mit fremden Aussehen. Eine Besonderheit des Signallernns ist, dass es unter Umständen auf einem einmaligen Ereigis beruhen kann. Die Fähigkeit zum Signallernen existiert auch bei vielen Tieren, sogar bei Wirbellosen. Iwan Pawlow konnte Signallernen bei Hunden nachweisen und hat 1904 den Nobelpreis bekommen.
Lernen am Erfolg oder sogenanntes operantes Lernen
Wenn ein Verhalten überraschenderweise erfolgreich ist, so wird diese Verhaltensweise künftig häufiger gezeigt werden. So kann Verhalten durch Zufall, aber auch in einer pädagogisch überwachten Situation auf Grund von Erfolg geformt werden („shaping“). Ein Beispiel für Erfolg ist erhaltenes Lob oder Zuwendung. Sowohl in Partnerschaften wie in der Kindererziehung ist der Moment der Zuwendung wichtig im Hinblick auf die Wiederholung des unmittelbar zuvor gezeigten Verhaltens. Weitere Beispiele für Lernen am Erfolg gibt es zum Beispiel aus dem schulischen Lernen. Am (vorgestellten) Erfolg lernt man aber auch die Neigung zur Fortsetzung eines Glücksspiels nach geringfügigem Gewinn, sowie wissenschaftliches oder moralisches Handeln auf Grund von vorgestelltem Nutzen. Eine Besonderheit des Lernens am Erfolg besteht darin, dass gelegentlicher Erfolg eher lernförderlich ist als steter Erfolg.
Der Lernverlauf beim Lernen am Erfolg wurde ca. 1930-50 von Burrhus Skinner an verschiedenen Tieren untersucht. Allerdings besitzen Menschen gegenüber Tieren eine vielfach höhere Fähigkeit zum Lernen und damit zur Ausbildung von Gewohnheiten. Selbst die Beobachtung, dass oft sehr viele Menschen ähnliches Verhalten aufweisen, lässt daher meist nicht auf eine Veranlagung, sondern eher auf vergleichbare Gewohnheiten schließen.
Regellernen
Wenn unbekannte Regeln durch Ausprobieren mit Hilfe von Erfolg und Misserfolg gelernt werden, so kann man das als Signallernen kombiniert mit Erfolgslernen ansehen. Es ist die wichtigste Lernform beim Fertigkeitserwerb. Expertise erfolgt durch schrittweisen Aufbau von Verständnis und Routine, was jedoch eine sehr oft wiederholte Übung voraussetzt. Als Faustregel gilt: Um in einem Gebiet (Musik, Wissenschaft, Sport) Experte zu werden, bedarf es einer ähnlich langen Zeit der Übung bzw. des Trainings (plus/minus 10.000 Stunden, vgl. Kapitel Denken).
Strafe
Strafen sollen einen Mißerfolg signalisieren und bewirken, dass unter bestimmten Gegebenheiten eine Verhaltensweise seltener oder gar nicht mehr gezeigt wird. Diese Wirkung zeigen Strafreize jedoch nur in Ausnahmefällen. Der Grund liegt darin, dass der Grund für Strafe meist gar nicht oder nicht richtig erkannt werden kann. Dadurch kann die Folge eines Strafreizes sein, dass der Ort der Bestrafung sogar bevorzugt aufgesucht wird, um die Gegebenheiten näher zu erkunden. Sollte dabei eine lohnende Entdeckung gemacht werden, wird die eigentlich „verbotene“ Verhaltensweise sogar verfestigt („abnorme Fixierung“). Beispiele dafür sind die enge Bindung von Menschen an Elternteile, die sie vernachlässigt haben, an aggressive Partner oder an schmerzhafte Sexualpraktiken. Besondere Auswirkungen hat der unvorhersehbare Wechsel von Lohn und Strafe, was bei Verwahrlosung oder gelegentlich unter laisse-fair-Bedingen stattfindet. Übersensible, ja sogar bizarr übertriebene Reaktionen könnten die Folge sein.
Milde Strafreize führen mitunter nur zu einer Vermeidung in Gegenwart des Strafenden, starke Strafen fördern hilfloses Verhalten. Wichtige Vermeidungsreaktionen, etwa um Verletzungen zu verhindern, müssen verstanden werden. Oder sie müssen durch Gewohnheitsbildung mit einem anderen, stellvertretenden Signalreiz („Achtung“) plus Lob für erfolgreiche Alternativreaktion erlernt werden.
Tipps für die Erziehung
Unangemessenes Verhalten bei Kindern ist eine Folge von entsprechender Beeinflussung, bei kleinen Kindern oft durch die Eltern selbst verursacht. Sprechen Sie darüber mit anderen, um eigenes Fehlverhalten zu vermeiden! Schlechte Gewohnheiten lassen sich im Grunde nur durch den Aufbau neuer, guter Gewohnheiten mit Hilfe von Zuwendung und Lob verhindern. Haben Sie dabei Geduld!
Tipps für Partnerschaften
Wenn Sie meinen, durch Gewohnheiten Ihres Partners gestört zu werden, sollten Sie zunächst überlegen, ob diese wirklich unangemessen sind. Vermeiden Sie, selbst unangemessen zu reagieren! Denken Sie daran, dass sich Gewohnheiten von Erwachsenen nur schwer ändern lassen. „Erziehungsversuche“ sind oft vergeblich. Statt dessen können Sie versuchen, gemeinsam mit Ihrem Partner neue, gute Gewohnheiten zu entwickeln.
Buchempfehlungen zur Vertiefung einzelner Themen
Mehr über Lernen im sozialen Umfeld.
Mehr über das Lernen von intellektuellen Fähigkeiten und z.B. über den Umgang mit Wahrscheinlichkeiten von Ereignissen.
Der klassiker zum Thema Lernen mit Fokus auf das Lernen bei Schulkindern.
Wie Lernen die Leistungsfähigkeit im Alter trainiert.