Was ist Aufmerksamkeit, wie entseht Aufmerksamkeit im Gehirn? Inwieweit lässt sich die eigene Aufmerksamkeit gezielt steuern oder steigern?
Aufmerksamkeit wird meist als eine besondere Form von besonders deutlichem Bewusstsein angesehen. In der Psychologie kennt man jedoch auch automatische Aufmerksamkeitsprozesse. Auf Grund solcher Formen von Aufmerksamkeit kann es geschehen, dass Unfallzeugen einen flüchtigen Unfallverursacher nicht beschreiben können, weil sie – abgelenkt durch die Unfallschäden – seinem Gesicht offenbar keine Aufmerksamkeit geschenkt haben. Bei Konfrontation mit Fotos möglicher Täter kann der Unfallverursacher unter Umständen dennoch wiedererkannt werden. Das weist darauf hin, dass dem Gesicht unbemerkt doch so viel Aufmerksamkeit geschenkt worden war, dass eine Gedächtnisspur eingeprägt wurde. Diese war zwar nicht für die Beschreibung, wohl aber für die Wiedererkennung ausreichend (siehe Gedächtnis).
Daher muss man in der Neurokognition davon ausgehen, dass im Grunde jeder Erregungsprozess in einem Netzwerk, der über die Ruheaktivität hinausgeht, eine Form von Aufmerksamkeit darstellt. So gesehen erregt jeder Reiz Aufmerksamkeit, der bis ins Nervensystem vordringt. Darüber hinaus spricht man auch von Aufmerksamkeit, wenn ein Teil der informationsverarbeitenden Struktur dafür vorbereitet ist, auf bestimmte Reize besonders zu reagieren. Wenn eine Person gebeten wird, einem Reiz besondere Beachtung zu schenken, so verändert diese Instruktion in der Regel die Reaktionsbereitschaft der beteiligten Netzwerke. Eine solche „Aufladung“ von Netzwerken auf Grund von konzentrierter Aufmerksamkeit kann man im Gehirn in den Hirnstromkurven ebenso ablesen wie eine daraufhin verursachte, starke „Entladung“, wenn ein besonders beachteter Reiz tatsächlich entdeckt wurde.
Verschiedene Formen von Aufmerksamkeit kann man gut an Hand von Veränderungen in der hirnelektrischen Aktivität (mittels EEG) beobachten. Informationen dazu finden Sie im Kapitel „Denken braucht Zeit“.
Automatische Aufmerksamkeitszuwendung
Für bestimmte Situationen kann man angeben, wann einem Reiz automatisch Beachtung geschenkt wird, auch wenn er bedeutungslos erscheint. Das passiert nämlich, wenn ein Reiz unvermutet auftaucht oder wenn sich ein monotoner Reiz plötzlich verändert. In psychologischen Untersuchungen verwendet man in Aufmerksamkeitsuntersuchungen häufig zwei verschiedene Reizarten, zum Beispiel einen hohen und einen tiefen Ton. Oder man zeigt in bunter Folge Bilder von Werkzeugen und Kunstbilder. Der jeweils seltener auftauchende Reiz wird auch ohne weitere Instruktionen in der Regel stärker beachtet und auch gut erinnert (s. Forschungsliteratur).
Sehen Sie nun ein Video zur Messung von Aufmerksamkeit mit Hilfe der P300-Methode.
Ein Anwendungsbeispiel für diese Methode der Aufmerksamkeitsmessung sehen Sie im zweiten Video zur Ästhetik.
Kontrollierte Aufmerksamkeit

Kontrollierte Aufmerksamkeit. In dieser Untersuchung soll beurteilt werden, ob die Anzahl der gezeigten Ziffern (zwei Ziffern auf dem Bildschirm) größer ist als deren numerischer Wert (drei). Die richtige Antwort wäre die Taste für NEIN. In der Hirnstromaktivität (EEG) sieht man, ob den jeweiligen Größen (Anzahl, Wert) und dem anschließenden Vergleich hinreichend Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Ursachen für Fehler lassen sich erkennen. – Über die bei dieser Aufgabe typischen, langsamen Alpha-Wellen und über die EEG-Technik sehen Sie ein Video im Kapitel „Denken braucht Zeit“.
Wird ein bestimmter Reiz erwartet oder gesucht, so führt dessen Entdeckung zu einer sogenannten kontrollierten Aufmerksamkeit, die stets mit Bewusstsein verbunden ist.
Vor allem beim aufmerksamen Sehen unterscheidet man außerdem zwischen fokussierter und verteilter Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit kann nämlich auf ein breites Areal des Sehfeldes verteilt oder auf einen Punkt des Sehfeldes fokussiert werden. Beim Ballspiel im Team kann es sinnvoll sein, die Aufmerksamkeit auf mehrere Mitspieler zu verteilen um ein rasches Zuspiel zu gewährleisten. Das gilt vor allem dann, wenn man sich auf die eigene Reaktion und die der Mitspieler gut verlassen kann, denn die Treffgenauigkeit ist bei verteilter Aufmerksamkeit etwas eingeschränkt. Kommt es hingegen auf rasche und präzise Entdeckungsleistungen an, wie zum Beispiel beim Scheibenschießen, ist eine hohe Konzentration der Aufmerksamkeitsleistungen auf bestimmte Teile des Sehfeldes erforderlich.
Es gibt viele Gründe, warum sich unser Gehirn mitunter schlecht konzentrieren kann. Die wichtigsten sind Müdigkeit und Ablenkung.
Spezialthema: Neurologie der Aufmerksamkeit
Hören Sie sich eine vertiefende Audio-Datei zu den neurologischen Grundlagen der Aufmerksamkeit an (Sprecherin Chris Zambo):
Tipps zur besseren Aufmerksamkeit
Was kann man bei Konzentrationsschwierigkeiten tun? Schon im Mittelalter kannten die Pädagogen ein gutes Mittel für Aufmerksamkeit: Was immer du tust, tue es sorgfältig. Tu nicht viel, das aber möglichst gut. Um etwas wirklich gut machen zu können, muss man auch immer wieder den Blick öffnen, um die Wirkung des Tuns und ein mögliches Feedback hinreichend beachten und verarbeiten zu können.
Im Alltag warnt man außerdem gerne vor einer Reizüberflutung. Allerdings muss man berücksichtigen, dass meist nicht ein Signal an sich Reizcharakter hat. Erst eine, oft erlernte Reaktion macht aus einem Signal einen Reiz. Freilich gibt es laute Töne oder grelle Lichter, die man automatisch beachtet. Solche Störsignale sollten möglichst ganz vermieden werden, wenn man sich gut konzentrieren will. Abgesehen davon gibt es störende und im Grunde ablenkende Gewohnheiten, die einen Menschen veranlassen, auf Signale zu reagieren, die vielleicht im Augenblick gar nicht wichtig sind (siehe Lernen und Motivation). Die Aufmerksamkeit richtig zu lenken, lässt sich trainieren.
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Wie schafft man es, sich trotz permanenter Reizüberflutung zu konzentrieren?