Was passiert beim Lügen im Gehirn? Ist es möglich Lügen zu erkennen?
Eine Lüge ist eine Aussage, von der man weiß, dass sie falsch ist. Sie wird jedoch bewusst als wahr geäußert, um einen Vorteil zu erlangen oder einen Misserfolg zu vermeiden. Es gibt kleine Lügen im Alltag („Ich habe den Bus verpasst“ statt „Ich habe mich zu spät erinnert“) und große in der Politik („Es gibt Massenvernichtungswaffen im Irak“ oder „Wie haben keine Soldaten auf der Krim“). Die Fähigkeit zu Täuschung und Lüge entwickelt sich erst im Laufe der Kindheit. Ist „Lügenkönnen“ ein Zeichen von sozialer Reife oder gar von Intelligenz? Oder braucht es Intelligenz, um Lügen zu entlarven? Ist es ein Zeichen von sozialer Reife, weitgehend ohne Lüge auszukommen?
Heute kennt man die Hirnmechanismen, die man zum Lügen braucht. Es handelt sich vor allem um Nervennetzwerke im Stirnhirn, die als „Arbeitsspeicher“ des Gehirns dienen und die für Hochrechnungen über die Sichtweise anderer Menschen verwendet werden (siehe auch Gedächtnis). Diese Teile des Gehirns reifen im Vorschulalter. Sie sind imstande, weit hergeholte Assoziationen zu berücksichtigen und somit fantastische Geschichten zu erfinden. Lügen gelten als Zeichen von Hilflosigkeit und sie können dazu dienen, das Gefühl über die eigene Selbstwirksamkeit zu verbessern. Lügen setzen allerdings auch Gedanken darüber voraus, was andere Menschen als wahr akzeptieren könnten.

Lügenerkennung in den 30er Jahren. Im Labor des
Psychologen Bill Marson (links stehend) wurde ein
„Lügendetektor“ getestet. Dabei wurden Schwankungen
des Blutdrucks (beobachtet durch den Studenten rechts),
sowie Handschweißreaktion und Atmung registriert und
anschließend bewertet.
Es gibt eine Reihe von raffinierten Methoden der Lügendetektion, durch eine geschickte Gesprächsführung, aber auch mit der Hilfe von modernen Verfahren der Hirnforschung. Keine der Methoden ist allerdings so zuverlässig, dass auf Grund der Ergebnisse ein Richter über Schuld oder Unschuld eines Angeklagten entscheiden sollte.
Das eigentliche Problem beim Aufdecken von Lügen ist die Frage: Wo genau ist die Grenze zwischen Lüge und Wahrheit? So steckt in jeder „Lüge“ ein Körnchen Wahrheit. Und tatsächlich besitzt auch jede „wahre“ Aussage zahlreiche Unschärfen und oft kühne Ausschmückungen oder Schlussfolgerungen.
Die Frage nach der „Wahrheit“ ist eng mit der Frage nach dem Ursprung und den Grenzen der menschlichen Erkenntnis verbunden (s. Forschungsliteratur). Menschliches Denken hängt eng mit den sozialen Fähigkeiten zusammen, s. das Kapitel über Perspektivenübernahme. Über die Grenzen des Denkens lesen Sie weiter im Kapitel Was kann der Mensch erkennen.
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